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HD-D

Diagnose: HD-D

Der Artikel im letzten Retriever über Hüftgelenksdysplasie hat starkes Echo hervorgerufen und auch die Frage aufgeworfen: Was mache ich mit meinem Hund, wenn er keine gesunde Hüfte hat?

Ich möchte ein wenig aus meiner Sicht als Zuchtwart und aus meiner Sicht als „Betroffene“ einiges dazu sagen.

Ich ging seinerzeit ziemlich unbedarft zum HD-Röntgen, denn meine erste Hündin Joy hatte HD-A, warum soll es jetzt bei Grace anders sein?
Der Befund HD-D hat mich ziemlich, sagen wir einmal durcheinandergebracht. Was jetzt?

Manchmal treten Hundebesitzer an mich heran um mir mitzuteilen, dass sie bei einem „schlechtem Züchter“ einen Welpen gekauft hätten, man solle diesem doch das Züchten mit dieser Hündin verbieten, denn „sie vererbt schlechte Hüften“! Abgesehen davon, dass es auch noch einen Vater der Welpen und zahlreiche weitere genetische Komponenten zu berücksichtigen gibt, die Hündin aus der Zucht zu nehmen, ist das die Lösung?
Ich verstehe, dass man in dieser Situation bereit ist, einen Schuldigen zu suchen und zu finden, dem man dann seinen Unmut zur Last legen kann.

Ich habe mir damals natürlich auch Gedanken darüber gemacht, was ich „falsch gemacht“ habe im ersten Lebensjahr von Grace? Ich habe sie anfangs über die Stiegen getragen, sie auf hartem Boden und nicht zu lange bewegt, ihr die richtige Ernährung zukommen lassen, sie nicht springen lassen…. alle diese Dinge sind mir durch den Kopf gegangen.
Nun ist es bei einem eher ruhigen Hund sicherlich leichter, als bei einem absolut temperamentvollen, an allem und jedem höchst interessierten und arbeitswütigen Welpen und Junghund – so war nämlich meine Grace! Einerseits traumhaft so einen Hund zu haben, andererseits immer den Gedanken „hoffentlich tut sie nicht zu viel?“
Ich möchte hier keine Regeln aufstellen wie man mit einem Hund im ersten Lebensjahr umgehen soll, ich möchte nur erzählen wie es mir damals ergangen ist!

Die nächste „Frustration“ kommt hier bei manchen Hundebesitzern auf, weil sie mit der Hündin züchten wollten.
Das kann ich gut verstehen, denn auch ich hatte Gedanken in dieser Richtung. Grace hatte für mich alles, was ich von einem Retriever gerne sehe und für mich auch haben möchte. Sie zeigte schon als Welpe ein von sich aus enormes Interesse an Wild, einen sehr starken Beute- und Bringtrieb. Als Grace 9 Monate alt war, hatte Joy ihren zweiten Wurf. Sobald Joy die Wurfkiste verließ, sprang Grace hinein, legte sich anfangs nur zu den Welpen und stupste sie ein wenig. Später, als dies schon möglich war, spielte sie ganz reizend mit ihnen. Auch dafür war zu meiner Freude ihr Interesse da! Und nun kam beim Röntgentermin die Ernüchterung wie ein harter Schlag.

An den Gedanken mit einem viel versprechenden Hund nicht züchten zu können, muss man sich erst gewöhnen.

HD ist eine Fehlentwicklung des Hüftgelenkes und kann unterschiedlich schwer ausfallen. Ich höre in diesem Zusammenhang leider immer wieder: „Jetzt kann ich mit meinem Hund nichts mehr tun, denn er ist ja krank!“
Aber genau diese Gedanken sind falsch! Den Hund über jeden Zaun springen zu lassen und ihn extrem zu fordern, wäre sicherlich nicht ratsam, aber ihn sozusagen als Kranken zu behandeln und ihn nichts mehr tun zu lassen, wäre genauso falsch! Besonders wichtig ist für einen solchen Hund seine Muskulatur, die gezielt trainiert werden muß, damit er lange fit bleibt.

Ich habe Grace immer trainiert, sie ist bei zahlreichen Workingtests gestartet bis in die Open, wenn wir auch oft einen Nuller kassierten, der Spaß war jedoch immer dabei. Ich war mit ihr nach Möglichkeit schwimmen, sie hat mit uns im Urlaub lange Wanderungen gemacht, alles genauso wie es für uns auch gut war und ich habe sie nie wie einen kranken Hund behandelt.

Dass sie nach einem intensiven Training am nächsten Tag müde ist und vielleicht etwas mehr schläft als sonst steht ihr wohl zu, da geht es Hunden mit gesunden Hüften nicht anders.

Grace wurde auf vielen Ausstellungen präsentiert, hat den Österreichischen Champion, den Österreichischen Senioren-Champion und hat mit 9 Jahren aus der Seniorenklasse heraus bei der Bundessiegerausstellung in Tulln noch das BOB erhalten weil sie so fit und voller Freude gelaufen ist. Sie war auf den jährlichen Niederwildjagden mit Herz, Seele und leuchtenden Augen dabei und brachte voller Freude ihre Vögel.

Langsam kommt sie nun aber in die Jahre und im vergangenen Herbst habe ich sie erstmals schweren Herzens zu Hause gelassen, denn auf der Jagd nicht mehr alles tun zu dürfen hätte sie nicht verstanden und das wäre für sie zur Qual geworden.

Ich habe sie heute noch beim Training dabei, sie wird von einer Freundin geführt, hat sich vollkommen darauf eingestellt, dass sie nicht mir, sondern Sylvia das Dummy bringt, Hauptsache sie darf! Das Training haben wir natürlich ein wenig angepaßt. Sie ist heute 10 Jahre alt und ihre Dummies fallen nicht mehr so weit wie früher, über Gräben schicken wir sie auch nicht mehr und die Menge der Dummies ist nicht ganz so wie bei den anderen Hunden, aber das akzeptiert sie. Was nicht heißt, dass sie ihren Unmut nicht kundtut wenn ein Hund nicht findet – dem möchte sie gerne zu Hilfe eilen! Also nach wie vor ein Workaholic, der sich nie von selbst schonen würde, aber dazu gibt es ja uns Menschen!

„Tante Grace“ hat auch nach wir vor das Bedürfnis, falls ein jüngerer Hund etwas rüpelhaft sein sollte, diesem nachdrücklich mitzuteilen was Gutes Benehmen bedeutet, sie macht es in sehr deutlicher Hundesprache, die auch von den Jungspunden verstanden wird und als Belohnung wird dann mit ihnen gespielt.

Was ich damit sagen will: es war sehr schade, dass diese Hündin ihre Qualitäten nicht weitergeben durfte, aber ich habe ihr trotz ihrer D-Hüfte ein ausgefülltes Hundeleben geboten.

Ich habe sie nie wie einen kranken Hund behandelt, sie hätte mit gesunden Hüften kein anderes Leben gehabt. Grace hat nie gelahmt, hat nie Medikamente benötigt, hat aber mit 1 ½ Jahren vorbeugend Golddrahtimplantate erhalten. Wie es ihr heute ohne diese Vorbeugemaßnahme gehen würde, kann ich nicht beurteilen. Für mich ist wichtig, dass ich Grace in guter Kondition halte, damit ihre Muskulatur ihre Aufgabe erfüllen kann und ich sie noch lange, lange habe.

Also bitte keine Panik wenn Ihr Hund nicht den erwünschten HD-Befund erhält, er kann trotzdem ein erfülltes und gutes Hundeleben und Sie können mit ihm viel Spaß und Freude haben – und ihr Hund ist nach der Untersuchung derselbe Hund der er vorher war!

Christine Grabmayr
Dieser Artikel ist im Retriever (Journal des Österreichischen Retriever Clubs) in der Juni-Ausgabe 2014 erschienen.